Warum Ricotta für Laktoseintolerante zur Falle wird: Diese Kennzeichnung übersehen die meisten beim Einkauf

Ricotta gilt in vielen Haushalten als leichtere Käsealternative – cremig, vielseitig einsetzbar und scheinbar bekömmlicher als andere Milchprodukte. Doch für Menschen mit Laktoseintoleranz oder Milcheiweißallergie kann dieser vermeintlich sanfte Frischkäse zur unerwarteten Belastung werden. Die Allergenkennzeichnung auf Ricotta-Verpackungen wirft wichtige Fragen auf, die beim schnellen Einkauf oft übersehen werden.

Was macht Ricotta aus ernährungsphysiologischer Sicht besonders?

Ricotta entsteht traditionell aus Molke, die bei der Käseherstellung übrig bleibt. Dieser Produktionsprozess führt zu einem weit verbreiteten Irrtum: Viele Verbraucher gehen davon aus, dass Ricotta aufgrund seiner Molkebasis weniger Laktose und Milcheiweiß enthält als andere Käsesorten. Diese Annahme ist jedoch nur teilweise richtig und kann zu gesundheitlichen Beschwerden führen.

Die Realität sieht komplexer aus. Während bei der traditionellen Ricotta-Herstellung tatsächlich hauptsächlich Molkenproteine verwendet werden, fügen moderne Produktionsverfahren häufig zusätzlich Vollmilch oder Sahne hinzu. Dies verbessert zwar die Cremigkeit und den Geschmack, erhöht aber gleichzeitig den Gehalt an Laktose und Kasein erheblich.

Die versteckte Gefahr: Laktose in unterschiedlichen Konzentrationen

Laktoseintolerante Menschen vertragen oft kleine Mengen Milchzucker problemlos. Hartkäse wie Parmesan oder gereifter Gouda enthalten durch den Fermentationsprozess kaum noch Laktose – hier haben Milchsäurebakterien den Milchzucker bereits abgebaut. Bei Ricotta funktioniert dieser natürliche Abbau jedoch nicht, da es sich um einen ungereiften Frischkäse handelt.

Der Laktosegehalt in Ricotta variiert stark und kann zwischen 1 und 5 Gramm pro 100 Gramm liegen, wobei besonders laktosearme Varianten auch Werte um 0,3 Gramm erreichen können. Zum Vergleich: Frische Vollmilch enthält etwa 4,6 bis 4,8 Gramm Laktose pro 100 Milliliter. Die tatsächliche Menge hängt vom Verhältnis von Molke zu zugesetzter Milch oder Sahne, vom Herstellungsverfahren und von der Rezeptur des Produzenten, von der Abtropfzeit und vom Feuchtigkeitsgehalt des Endprodukts sowie von der Verwendung von Zusatzstoffen zur Konsistenzverbesserung ab.

Warum die Kennzeichnung oft unzureichend ist

Die europäische Lebensmittelinformationsverordnung verpflichtet Hersteller seit Dezember 2014, die 14 wichtigsten Allergene deutlich zu kennzeichnen. Milch und Milcherzeugnisse gehören zweifellos dazu und stehen an siebter Stelle dieser Liste. Die allergenen Zutaten müssen deutlich sichtbar, lesbar und optisch hervorgehoben sein – etwa durch Fettdruck, Kursivschrift, Unterstreichung oder farbliche Unterlegung.

Dennoch reicht die pauschale Angabe „Enthält: Milch“ nicht aus, um laktoseintoleranten Verbrauchern eine fundierte Kaufentscheidung zu ermöglichen. Das Problem liegt in der fehlenden Differenzierung: Die Kennzeichnung unterscheidet nicht zwischen Produkten mit hohem und niedrigem Laktosegehalt. Ein Ricotta aus reiner Molke mit minimalem Laktosegehalt trägt dieselbe Allergenwarnung wie ein Produkt mit hohem Sahneanteil. Für Betroffene bedeutet dies: Selbst gewissenhaftes Etikettenlesen liefert keine verlässlichen Informationen über die tatsächliche Verträglichkeit.

Eine differenzierte Deklaration des Laktosegehalts in Gramm ist rechtlich nicht verpflichtend, sondern bleibt der freiwilligen Initiative einzelner Hersteller überlassen. Begriffe wie „laktosearm“ oder „kann Spuren von Laktose enthalten“ sind zudem rechtlich nicht einheitlich definiert, was zusätzliche Unsicherheit schafft.

Milchproteine: Das unterschätzte Risiko bei Ricotta

Neben Laktoseintoleranz stellt die Milcheiweißallergie ein ernstzunehmendes gesundheitliches Problem dar. Während Laktoseintoleranz unangenehme Verdauungsbeschwerden verursacht, kann eine Allergie gegen Milchproteine schwerwiegende Reaktionen auslösen. Ricotta enthält zwei Haupttypen von Milchproteinen: Molkenproteine wie Albumin und Globulin, die die Grundlage von traditionellem Ricotta bilden und häufige Allergieauslöser sind, sowie Kasein, das durch Zugabe von Vollmilch oder Rahm eingebracht wird und als besonders allergen gilt.

Die irreführende Positionierung als gesunde Alternative

Marketing und Ernährungstrends präsentieren Ricotta oft als gesündere Wahl gegenüber klassischen Käsesorten. Der niedrigere Fettgehalt und die Verwendung von Molke suggerieren ein leichteres, bekömmlicheres Produkt. Diese Darstellung führt jedoch dazu, dass gerade Menschen mit Unverträglichkeiten Ricotta als sichere Option wahrnehmen.

In Fitnesszeitschriften und Ernährungsblogs findet sich Ricotta in zahllosen Rezepten für proteinreiche Mahlzeiten. Die Botschaft lautet: hochwertiges Eiweiß bei moderaten Kalorien. Was dabei untergeht: Die Proteine stammen aus Milch und können für einen erheblichen Teil der Bevölkerung problematisch sein.

Praktische Herausforderungen beim Einkauf

Die Zutatenliste auf Ricotta-Verpackungen erfordert detektivische Fähigkeiten. Häufig finden sich dort Begriffe wie „Süßmolke“, „rekombinierte Magermilch“, „Milchpulver“ oder sogar „Ricotta-Pulver“. Jede dieser Zutaten beeinflusst den Allergengehalt unterschiedlich, doch die Mengenverhältnisse bleiben oft unklar.

Einige Hersteller geben freiwillig zusätzliche Informationen. Doch rechtsverbindliche Definitionen fehlen hier weitgehend. Was der eine Produzent als „laktosearm“ bezeichnet, könnte für empfindliche Personen bereits zu viel sein.

Regionale Unterschiede und Herstellungstraditionen

Die Zusammensetzung von Ricotta unterscheidet sich regional erheblich. Ricotta wird sowohl aus Schafs- als auch aus Kuhmilch hergestellt, wobei die Schafsmilchvariante mit 70 bis 78 Prozent Fett in der Trockenmasse einen höheren Fettgehalt aufweist als die Kuhmilchvariante mit etwa 44 Prozent in der Trockenmasse. Auch Ziegenmilch findet Verwendung.

Schafs- und Ziegenmilchprodukte gelten manchmal als verträglichere Alternative für Menschen mit Kuhmilchunverträglichkeit. Doch auch hier ist Vorsicht geboten: Die Kreuzreaktivität zwischen verschiedenen Milcharten ist hoch, und wer auf Kuhmilchproteine reagiert, verträgt oft auch keine anderen Tierarten.

Was können betroffene Verbraucher konkret tun?

Angesichts dieser komplexen Situation benötigen laktoseintolerante Verbraucher und Milchallergiker praktikable Strategien für den Alltag. Blindes Vertrauen auf Produktbeschreibungen reicht nicht aus.

Direkter Herstellerkontakt kann weiterhelfen: Viele Produzenten bieten Hotlines oder E-Mail-Adressen für Allergieanfragen. Eine konkrete Nachfrage nach Laktosegehalt und Milchproteinzusammensetzung kann überraschend aufschlussreiche Antworten liefern. Ein Symptomtagebuch hilft ebenfalls, denn die individuelle Toleranzschwelle variiert stark. Wer systematisch dokumentiert, welche Produkte welche Reaktionen auslösen, entwickelt mit der Zeit ein besseres Gespür für verträgliche Mengen und Marken.

Die Zutatenlisten genau zu analysieren lohnt sich: Je weiter vorne Milch, Sahne oder Milchpulver in der Zutatenliste erscheinen, desto höher ihr Anteil im Endprodukt. Ricotta, bei dem Molke an erster Stelle steht, enthält tendenziell weniger Laktose als Varianten mit Vollmilch als Hauptzutat. Kleine Käsereien und Hofläden produzieren manchmal traditionelleren Ricotta mit höherem Molkenanteil. Ein persönliches Gespräch mit dem Hersteller schafft Klarheit über die genaue Zusammensetzung.

Die Notwendigkeit verbesserter Kennzeichnungsstandards

Die aktuelle Situation zeigt deutlich: Die gesetzlichen Vorgaben zur Allergenkennzeichnung decken nicht alle Bedürfnisse informierter Verbraucher ab. Eine pauschale Allergenwarnung erfüllt zwar formale Anforderungen, hilft aber bei differenzierten Unverträglichkeiten kaum weiter.

Verbraucherschutzorganisationen fordern seit Jahren präzisere Angaben. Eine freiwillige Deklaration des Laktosegehalts in Gramm pro 100 Gramm würde laktoseintoleranten Menschen enorm helfen. Ebenso wäre eine Unterscheidung zwischen Kasein und Molkenproteinen für Allergiker wertvoll.

Bis solche verbesserten Standards Realität werden, bleibt Verbrauchern nur der mühsame Weg der individuellen Produktprüfung. Ricotta mag für viele ein unproblematisches Lebensmittel sein – für Menschen mit Milchunverträglichkeiten stellt er jedoch eine Herausforderung dar, die ernstgenommen werden muss. Die vermeintlich gesunde Käsealternative erfordert bei genauerem Hinsehen besondere Aufmerksamkeit und Vorsicht.

Wie viel Laktose verträgt dein Körper täglich?
Keine einzige Spur
Bis 1 Gramm geht noch
2 bis 5 Gramm problemlos
Ich vertrage alles
Keine Ahnung ehrlich gesagt

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