Mayonnaise gehört zu den beliebtesten Saucen in deutschen Haushalten. Ob zu Pommes, im Kartoffelsalat oder als Basis für Dips – die cremige Emulsion findet vielseitige Verwendung. Doch ein genauer Blick auf die Verpackungen im Supermarktregal offenbart ein grundlegendes Problem: Viele Werbeversprechen haben mit der Realität wenig gemein. Begriffe wie „natürlich“, „leicht“ oder „hausgemacht“ suggerieren Qualität und Reinheit, die das Produkt im Glas oft nicht vollständig einhalten kann.
Das Versprechen der Natürlichkeit – ein Marketing-Konstrukt
Der Begriff „natürlich“ auf Mayonnaise-Gläsern erweckt den Eindruck, es handle sich um ein Produkt aus reinen, unbehandelten Zutaten. Die Realität zeigt ein differenzierteres Bild. Viele namhafte Hersteller verwenden zwar grundsätzlich die klassischen Zutaten wie Öl, pasteurisiertes Eigelb und Essig, fügen aber zusätzlich Stoffe wie Antioxidationsmittel, modifizierte Stärke oder Zusatzstoffe hinzu.
Besonders problematisch: Der Begriff „natürlich“ unterliegt einer rechtlichen Grauzone. Hersteller können ihn verwenden, solange die Inhaltsstoffe aus natürlichen Quellen stammen – auch wenn diese hochgradig verarbeitet wurden. Ein synthetisch hergestellter Aromastoff wäre verboten, ein durch chemische Prozesse gewonnener Pflanzenextrakt jedoch nicht. Diese Lücke nutzen viele Produzenten geschickt aus.
Die Mogelpackung „leicht“ – weniger Fett, andere Zusammensetzung
Produkte mit der Aufschrift „leicht“ oder „light“ versprechen eine kalorienreduzierte Alternative zur klassischen Mayonnaise. Tatsächlich enthalten diese Varianten meist weniger Fett – allerdings wird die cremige Konsistenz dann durch andere Mittel erreicht. Stärke, modifizierte Stärke, Guarkernmehl oder Xanthan ersetzen das fehlende Fett und sorgen für die gewünschte Textur.
Ein mögliches Problem liegt tiefer: Um den Geschmacksverlust durch die Fettreduktion auszugleichen, können Hersteller mehr Zucker, Salz und Geschmacksverstärker einsetzen. Der vermeintliche Gesundheitsvorteil relativiert sich dadurch. Eine Mayonnaise mit der Hälfte des Fettgehalts enthält nicht automatisch die Hälfte der Kalorien. Zudem täuscht die Bezeichnung „leicht“ darüber hinweg, dass das Produkt ernährungsphysiologisch nicht unbedingt wertvoller ist. Bei diesen Varianten lohnt sich ein Blick auf die Zutatenliste besonders. Glucose-Fructose-Sirup, Dextrose oder Maltodextrin sind verschiedene Bezeichnungen für Zuckerarten, die den Geschmacksverlust kompensieren sollen.
Hausgemacht aus der Fabrik – der Authentizitäts-Schwindel
Die Bezeichnung „hausgemacht“ oder „nach Hausrezept“ soll Handwerkskunst und traditionelle Herstellung suggerieren. Man stellt sich unwillkürlich eine Küche vor, in der jemand mit Schneebesen und frischen Eiern arbeitet. Die Wahrheit ist ernüchternd: Diese Produkte stammen aus industriellen Großanlagen, in denen täglich tausende Liter produziert werden.
Rechtlich ist „hausgemacht“ für industriell hergestellte Produkte eigentlich irreführend. Dennoch finden sich entsprechende Formulierungen auf zahlreichen Verpackungen. Hersteller umgehen das Verbot durch kreative Wortkombinationen: „nach Art hausgemachter Mayonnaise“, „Rezeptur wie zu Hause“ oder „traditionelle Herstellung“ sind Formulierungen, die rechtlich gerade noch zulässig sind, aber denselben Effekt erzielen.
Was steckt wirklich drin? Ein Blick hinter die Kulissen
Klassische Mayonnaise besteht aus Eigelb, Öl, Essig oder Zitronensaft sowie Senf. Echte Mayonnaise basiert auf einer Öl-in-Wasser-Emulsion, wobei das Lecithin aus dem Eigelb als natürlicher Emulgator dient. Nach europäischen Standards sollte Mayonnaise einen Mindestfettgehalt von 70 Prozent und einen Eigelbanteil von mindestens 5 Prozent aufweisen.
Die gute Nachricht: Viele industriell hergestellte Markenprodukte verwenden tatsächlich pasteurisiertes Eigelb und hochwertige Öle. Der Ölanteil liegt bei gängigen Produkten zwischen 68 und 80 Prozent. Das verwendete Öl ist häufig Rapsöl oder Sonnenblumenöl – beide ernährungsphysiologisch durchaus sinnvoll, wenn auch nicht das romantisierte Olivenöl aus der Werbung.

Die Rolle der Zusatzstoffe
Um Kosten zu sparen und die Haltbarkeit zu verlängern, setzen Hersteller auf Zusatzstoffe. Modifizierte Stärke verbessert die Konsistenz, Antioxidationsmittel wie Calcium-Dinatrium-EDTA verhindern das Ranzigwerden. Konservierungsstoffe wie Sorbinsäure oder Kaliumsorbat verlängern die Haltbarkeit weit über das hinaus, was bei einem echten hausgemachten Produkt möglich wäre.
Wichtig zu wissen: Manche Produkte mit niedrigerem Fettgehalt dürfen rechtlich nicht als „Mayonnaise“ bezeichnet werden und heißen dann „Salatcreme“ oder „Delikatess-Sauce“. Diese Begriffe erkennen Verbraucher oft nicht als Hinweis auf eine abweichende Zusammensetzung.
So durchschauen Sie die Marketing-Tricks
Die Zutatenliste ist Ihr wichtigstes Werkzeug beim Mayonnaise-Kauf. Inhaltsstoffe sind nach Menge geordnet – was zuerst steht, ist am meisten enthalten. Bei hochwertigen Produkten sollten Öl und Eigelb an erster Stelle stehen. Wasser als erste Zutat wäre ein klares Warnsignal für ein stark gestrecktes Produkt, das möglicherweise nicht einmal als Mayonnaise verkauft werden darf.
Achten Sie auf Zusatzstoffe und unverständliche Begriffe. Je länger die Zutatenliste, desto verarbeiteter ist das Produkt in der Regel. Fünf bis sieben Zutaten sind für eine gute Mayonnaise ausreichend. Enthält ein Produkt fünfzehn oder mehr Inhaltsstoffe, darf man skeptisch werden.
Die Nährwerttabelle richtig lesen
Ein hoher Fettgehalt ist bei Mayonnaise nicht grundsätzlich negativ – er gehört zum Produkt. Verdächtig wird es, wenn der Zuckergehalt deutlich über zwei Gramm pro 100 Gramm liegt oder wenn der Salzgehalt extrem hoch ist. Diese Werte deuten darauf hin, dass Geschmack künstlich verstärkt werden soll.
Der Blick auf die Energiemenge pro Portion kann ebenfalls aufschlussreich sein. Hersteller geben manchmal unrealistisch kleine Portionsgrößen an, um die Kalorienzahl niedrig erscheinen zu lassen. Eine Portion von zehn Gramm entspricht nicht der tatsächlichen Verwendung – rechnen Sie besser mit 20 bis 30 Gramm.
Rechtliche Grauzonen und ihre Folgen
Die Lebensmittelinformationsverordnung soll Verbraucher vor Täuschung schützen. In der Praxis existieren jedoch erhebliche Schlupflöcher. Bildliche Darstellungen auf Verpackungen müssen nicht der Realität entsprechen. Ein Bild mit frischen Eiern und Zitrone ist erlaubt, selbst wenn das Produkt pasteurisiertes Eigelb und Citronensäure enthält.
Verbraucherschutzzentralen mahnen regelmäßig Produkte ab, doch die Verfahren dauern lange. Bis ein Urteil rechtskräftig ist, haben Hersteller oft bereits neue Formulierungen gefunden, die formal legal sind, aber denselben irreführenden Eindruck erwecken.
Die Alternative: Selbermachen lohnt sich
Wer die vollständige Kontrolle über Inhaltsstoffe haben möchte, kann Mayonnaise in wenigen Minuten selbst herstellen. Ein Eigelb, 200 Milliliter Öl, ein Teelöffel Senf, etwas Zitronensaft, Salz und Pfeffer – mehr braucht es nicht. Mit einem Stabmixer gelingt die Emulsion problemlos.
Selbstgemachte Mayonnaise enthält keine Konservierungsstoffe und muss daher innerhalb weniger Tage verbraucht werden. Dafür wissen Sie exakt, was Sie essen. Der Geschmacksunterschied zu industriellen Produkten ist deutlich wahrnehmbar – frischer, intensiver und ohne den leicht metallischen Nachgeschmack mancher Fertigprodukte.
Verbraucherrechte kennen und nutzen
Fühlen Sie sich durch eine Produktaufschrift getäuscht, können Sie sich bei der zuständigen Verbraucherzentrale beschweren. Diese sammelt solche Fälle und leitet bei Bedarf rechtliche Schritte ein. Das Portal „Lebensmittelklarheit“ bietet eine Plattform, um irreführende Produkte zu melden.
Dokumentieren Sie den Kauf mit Kassenbon und Fotos der Verpackung. Je mehr Verbraucher sich beschweren, desto größer ist der Druck auf Hersteller, ihre Werbeaussagen zu überdenken. Kleine Veränderungen im Kaufverhalten haben langfristig große Wirkung auf das Sortiment. Wer bewusst zu Produkten mit transparenter Kennzeichnung greift und übertriebenem Marketing die kalte Schulter zeigt, trägt dazu bei, dass sich ehrliche Kommunikation am Markt durchsetzt.
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